Donnerstag, 18. Dezember 2008

Das Leben danach

Noch im November habe ich geschrieben: "Ab heute gehöre ich wieder zum Kreis jener Menschen für die der Tot ein weit entferntes Phänomen ist. Er ist mir sozusagen von der Pelle gerückt. " Das muss ich jetzt korrigieren. So einfach ist es nicht, dass nachdem festgestellt wurde, dass der Tumor weg ist, alles wieder beim alten ist. Eva hat in ihrem Kommentar zu "Eine gute Nachricht" folgendes geschrieben: ".....so wirst Du sicher merken, es ist ein neues Leben was jetzt kommt. Zumindest empfinde ich es so. Die Verlagerung der Wichtigkeiten ist geblieben, die Wahrnehmung von Gott in Allem ist geblieben und die Erkenntnis, dass das das einzig Wichtige im Leben ist, ist geblieben. Und der einzige Wunsch, der noch offen ist, ist, dass das immer so bleibt! " Anscheinend ist dieser Kommentar anfangs ohne größere Wirkung auf mich geblieben, ansonsten hätte ich mir nicht einbilden können, dass alles wieder beim alten ist. Ich musste wohl noch ein paar mal an den Tod erinnert werden um zu erkennen, dass doch nichts beim alten ist. Es war eine Zeremonie in Wien, bei der mir wieder bewusst wurde wie nahe einem der Tod ist. Gretl, mit der ich fast ein Jahr in einer Wohngemeinschaft gelebt hatte ist gestorben. Ihre Asche wurde in die Donau gestreut und ich wollte mich von ihr verabschieden. Das ging allerdings nicht ohne mir bewusst zu werden, dass das Leben endlich ist und dass in jedem Augenblick auch die Unendlichkeit enthalten ist. Um mir dessen wirklich bewusst zu werden musste ich Bea kennenlernen, die das erlebt hatte und dann auch schriftlich festgehalten hatte. Erst beim wiederholten lesen ihrer Erfahrung wurde es mir bewusst. Bea schrieb " das Leben danach, wo es doch eigentlich kein danach gibt, weil egal wie milde die Diagnose war, man hat mit der Tatsache zu leben und man darf damit leben" Damit die Lektion auch richtig sitzt musste ich noch am eigenen Leib erfahren wie es ist wenn man glaubt im nächsten Augenblick zu sterben. Es war zwar banal, doch in der Nacht nach der Zeremonie in Wien schluckte ich unbedacht eine Tablette die mir im Hals steckenblieb. Ich rang nach Luft, geriet in Panik und dachte jetzt ist es aus. Die Tablette steckte jedoch in der Speiseröhre und nicht in der Luftröhre und in der Notaufnahme machte mir ein junger Arzt klar, dass ich an der Tablette nicht sterben könnte. So war es letztendlich eine Banalität. Dennoch, die Lektion war gelernt. Gestern traf ich im Krankenhaus den Professor, der mich während der Strahlentherapie begleitet hatte. Ich war im Sekretariat wegen eines Termins. Er kam mit den Worten: "die Stimme kenne ich doch, ist hoffentlich nichts schlimmes passiert?" auf mich zu. Ich sagte ihm, dass die letzte Kontrolluntersuchung negativ war und dass die nächste sicher auch negativ sein wird. Mit all seiner Autorität widersprach er mir und meinte, dass es zwar notwendig ist eine erste negative Kontrolluntersuchung zu haben um überhaupt zu überleben, es aber keinen Einfluss auf die zweite Kontrolluntersuchung habe. Er hat mir also klar gemacht, dass der Tod weiterhin mein Begleiter sein wird. Ich gehöre also nicht zum Kreis jener Menschen für die der Tot ein weit entferntes Phänomen ist, sondern zum Kreis jener Menschen, die den Tod als ständigen Begleiter haben.