Mittwoch, 20. August 2008

12. Tag der Bestrahlung

Bestrahlung war heute recht früh angesetzt, um 08:20. Wie üblich nahm ich im Warteraum neben dem Aquarium Platz und schaute den Fischen zu. Dann kam die Assistentin zu mir, um mir mitzuteilen, daß es ein Problem am Bestrahlungsgerät gäbe und, daß es länger dauern könnte bis das behoben sei. Den fischen zuschauen wurde mir dann doch zu langweilig, so suchte ich mir am Tischchen gegenüber eine Zeitschrift aus. Es gab den Spiegel vorletzter Woche oder das National Geographic Heft vom August 2008.

Ich entschied mich für das National Geographic. Ein Titel mit der Aufschrift, die Flucht aus Ägypten (Exodus) interessierte mich besonders.

Es wurde die Frage erörtert ob die Zahlen in der Bibel wirklich stimmen können.

600.000 Menschen sollen beteiligt gewesen sein die 40 Jahre gebraucht hätten um das gelobte Land Kanaan zu erreichen. Eine Landkarte mit 3 mögliche Routen der Flucht war angegeben. Eine davon ging über den Berg Sinai.

Wer den Artikel lesen möchte, er müßte mindestens als Auszug unter http://www.nationalgeographic.de/php/magazin/topstories/2008/08/topstory3.htm

zu lesen sein. Ich fragte mich wie lange ich wohl gehen müßte um diese Strecke zurück zu legen. Es dürften nicht mehr als 300Km sein. Also allerschlimmstenfalls müßte die Strecke in 40 Tagen statt 40 Jahren zurückzulegen sein.

Ein bischen Erfahrung habe ich ja schon mit der Halbinsel Sinai.

Einige Jahre vor daß ich nach Holland kam, war ich ja schon mal dort.

Auf dem Weg nach Masada, eine Stadt am Toten Meer, die sehr lange von den Römern belagert wurde, lernte ich eine sehr hübsche, junge, blonde Deutsche mit ihrem Begleiter kennen. Der Weg geht ziemlich steil nach oben und obwohl es eine Seilbahn gibt gingen wir zu Fuß. Gespenstisch war die Stadt. Angeblich haben alle Einwohner Selbstmord gemacht bevor die Stadt von den Römern eingenommen wurde. Wer darüber nachlesen möchte kann das unter

http://www.schaetze-der-welt.de/denkmal.php?id=322 .

Auf dem Rückweg habe ich dann erzählt, daß ich nach Eilad zum Baden wollte.

Die Deutsche, leider habe ich ihren Namen vergessen, ich werde sie mal Ingrid nennen, sagte daß sie auch dort hin möchte und vielleicht dann über die Grenze nach Ägypten. Das begann mich jetzt auch zu interessieren. Kurz entschlossen vereinbarten wir das zusammen zu machen. Ich muß dazu sagen, daß ich nur noch knapp 50 Dollar in der Tasche hatte und keine Reiseschecks oder Kreditkarten. Auch sie wollte nicht mehr als maximal 30 Dollar ausgeben.

Ihren derzeitigen Begleiter hängte sie ganz einfach ab und wir gingen zu Bushaltestelle um nach Eilad weiterzufahren. Am Abend dort angekommen, wir waren schon ziemlich müde, suchten wir uns ein Plätzchen, auf einer Anhöhe im Freien, wo wir uns in unsere Schlafsäcke verkrümelten und den Sternhimmel über uns und die Lichter von Eilad unter uns in den Schlaf begaben.

Am Busbahnhof ließen wir unsere Rucksäcke in der Gepäckaufbewahrung zurück und gingen nur mit ganz leichtem Gepäck und Schlafsäcken Richtung Grenze.

In der Bank, beim Geld umtauschen merkte ich erst welche Wirkung meine blonde Begleiterin auf die Ägypter hatte. Der Bankbeamte wollte sie einfach nicht mehr aus der Bank raus lassen. Er erklärte uns schon zum dritten Mal die Ägyptischen Banknoten. Allerdings erst richtig bunt wurde es beim Einreisebeamten, der an einem metallischem Schreibtisch mitten auf der Straße saß. Er verlangte die Pässe und das Dreitagevisum das wir uns zuvor in einem Israelischen Kontainer Büro geholt hatten. Allerdings gab er uns die Pässe nicht mehr zurück und wir konnten protestieren so viel wir wollte er lachte nur und schaute lüstern nach meiner Begleiterin. Dann gab er mir meinen Pass zurück und sagte mir ich sollte doch allein gehen, was ich natürlich ablehnte.

Gerettet wurden wir von einem weiteren Pärchen die auch einreisen wollten.

Denen gab der Beamte dann unsere Pässe, statt den ihrigen, zurück, die sie dann an uns weitergaben und der Beamte begann das Spiel mit den nächsten Opfern.

Den Bus in die nächste Stadt teilten wir mit einigen Bauern und Hühnern.

Dann ging's wieder Richtung Strand. Es war schon bald Abend und etwas windig.

Ziemlich schnell wurde es dunkel, der Wind nahm zu und wir mitten in der Wüste. Ich hatte noch eine Metallfolie mit Ösen die ich mittels zwei Stöcken so aufspannte, daß wir vom Wind geschützt waren. Dann verkrochen wir uns in unsere Schlafsäcke und versuchten zu schlafen. Nicht einfach, bei einem Sandsturm, doch es ging trotzdem. Ich hatte sogar einen Traum. Ich träumte von der Mutter Gottes die schwanger war. Nachdem ich dann mal wach wurde dachte ich über die Bedeutung des Traums nach. Die Mutter Gottes war wohl meine Begleiterin und ob sie schwanger sei konnte ich ja in der Früh fragen.

Aufgeweckt wurden wir von einem Beduinen mit der Frage: „Do you want to ride a Camel?“ Und da waren mehrere Kamele die im Wüstensand lagen. Es war inzwischen schon hell, blauer Himmel und absolut still. Erst wischten wir uns noch den Schlaf aus den Augen, dann fragten wir wo und wie weit es zur nächsten Ortschaft sei. Allerdings gingen wir zu Fuß dort hin.

Ich fragte Ingrid ganz beiläufig ob sie schwanger sei. Es war ein Schock für sie daß ich diese Frage stellte. „wie kannst Du davon wissen, ich bin erst im zweiten Monat und habe es bisher noch niemanden erzählt“. Dann erzählte ich ihr den Traum von der schwangeren Mutter Gottes und sie war wieder beruhigt. Später erzählte sie mir auch noch vom Vater des Kindes, den sie in Griechenland bei der Olivenernte kennen gelernt hatte, dann aber aus den Augen verloren hatte und auch nicht mal den vollständigen Namen kannte. In der nächsten Ortschaft kamen wir erst mal bei einer Bäckerei, einer Metallbaracke in der Wüste vorbei. Darin war ein riesiger metallener Kessel der mit Teig gefüllt war und auf dessem Rand die Hühner spazierten. Wir bekamen jede Menge Brot gratis und es schmeckte wunderbar. Man konnte sogar den Wüstensand beim Kauen feststellen. Vor der Bäckerei war ein ganz altes Kamel, das eine minestens halben Meter lange Zunge aus dem Mund heraushängen ließ. Das fütterten wir mit dem Brot, den Rest wollten wir als Proviant mitnehmen. Wir wollten noch heute zum Berg Sinai. In der Ortschaft gab es einen Bus der uns zu den Katharinenklöstern brachte. Dort kamen wir am Nachmittag an und gingen gleich weiter. Wir wollten noch vor dem Abend den Gipfel erreichen.

Am Gipfel gab es dann eine Unterschlupf wo eine große Ägyptische Familie lagerte und einem Deutschen, mit perfekter Outdoor Ausrüstung der dort sein Süppchen kochte. Er gab keinem was davon ab und erzählte nur großspurig von seinen Abenteuern. Wir hatten ja noch unser Brot von der Bäckerei und unsere Wasserflaschen waren auch gefüllt. Der Berg Sinai ist etwa 2200 Meter hoch und in der Wüste kann es ganz schön kalt werden. Der Unterschlupf hatte zwar ein Dach jedoch zog es ziemlich, die Türöffnung konnte man nicht schließen. Ich überließ meine Metallfolie der Ägyptischen Famile die sich ganz aneinanderkuschelten und dann sich mit der Folie zudeckten. Ingrid und ich suchten eine Felsspalte wo wir auch ganz eng, jeder in seinem Schlafsack, aneinanderkuschelten. Vor dem Schlafen gehen versetzte ich noch den Deutschen in einen riesigen Schrecken. Er saß auf einem Mäuerchen und ich schlich mich von Hinten an, drückte mit meinem Zeigefinger in seinen Rücken und sagte mit tiefer Stimme „Hands UP“. Ich glaube er hat sich fast in die Hosen geschissen dabei.

Ich konnte vor Kälte nicht schlafen und so stand ich mitten in der Nacht auf und kletterte aus der Felsspalte. Es war eine Klare Nacht und fast Vollmond.

Das erstaunliche war die Aussicht vom Berggipfel. ICH KONNTE AUF DEN MOND UND DIE STERNE HINUNTERSCHAUEN!! Man muß sich das so vorstellen: der Berg ist über 2000 Meter hoch und man kann bis zum Meer sehen, das logischerweise 2000 Meter tiefer liegt. Die Sterne sind am Horizont des Meeres zu sehen und deshalb logischerweise tiefer als der Berggipfel. Das allerdings zu sehen ist äußerst ungewohnt, auf die Sterne hinunterzuschauen. Mit diesem Bild verkrümelte ich mich wieder in den Schlafsack und wurde erst geweckt durch ein Stimmengewirr. Eine Gruppe von Touristen erschien wie aus dem Nichts. Sie sind Nachts mit Taschenlampen den Berg hochgegangen um den Sonnenaufgang zu sehen. So schnell wie sie gekommen waren, waren sie auch wieder verschwunden. Der Sonnenaufgang war aber die Mühe des Aufwachens wert.

Das war also mein Abenteuer das mir zum Berg Sinai einfiel.

Während der Bestrahlung hatte ich also genügend Stoff um mich zu amüsieren.

Lisa holte mich vom Krankenhaus ab, die Ärzte waren zufrieden mit mir, Lisa erklärte der Professor daß noch drei Chemotherapien notwendig seien und daß von Bestrahlung zu Bestrahlung mit immer mehr Nebenwirkungen zu rechnen seien. Die Speicheldrüßen würden leider für immer Beschädigt bleiben, da sie ganz dicht am Tumor sitzen. Irgendwie erleichtert verließen wir die Klinik und fuhren erstmal in eine Konditorei. Lisa hatte noch kein Frühstück gegessen.

Sie bestellte Capuccino und Kuchen, ich gab mich mit einer heissen Schokolade zufrieden, die ich gut vertrug. Sahne gabs extra und machte sich gut in der heissen Schokolade. Für mich waren die Kalorien wichtig. Ich darf absolut nicht mehr abnehmen.

Zu Hause unterhielten wir uns noch mit den Nachbarn, ich legte mich ins Bett, beantwortete emails und schrieb den blog.