Donnerstag, 4. September 2008

23. Tag der Bestrahlung

Heute hatte ich gleich zwei Termine in der Strahlentherapie. Einen um 9:30 and einen um 13:30. Deshalb gibt es heute zwei Geschichten zum erzählen. Dafür gibt es morgen keine Geschichte, da morgen die Bestrahlung wegen Wartungsarbeiten ausfällt. Es bleibt trotzdem bei den 35 Bestrahlungn, nur wird es insgesamt einen Tag länger dauern. Den Zähler werde ich noch anpassen. Beim ersten Termin wurden nur Einstellungen am Bestrahlungsgerät vorgenommen und Photos gemacht. Mir wurde wie üblich die Maske aufgesetzt und das Eintauchen in eine andere Welt konnte beginnen. Ich wachte in Sahagun auf.Es war der Nachfolgetag, von dem, den ich am 18.Tag der Bestrahlung beschrieben hatte. Also, ich hatte mit Nancy in einem Zweibettzimmer übernachtet.Die Betten waren sogar weiter von einander entfert als in den Schlafsälen üblich.In meinem Caminoblog schrieb ich nicht besonders viel über den Tag,es war der 18t Tag, das übernachten mit Nancy erwähnte ich nicht. Folgende paar Zeilen sind noch identisch mit dem Caminoblog. "Mitten in der Nacht fing mein rechtes Auge zu traenen an, erst dachte ich dass es vielleicht vom Peperoncino sei, den ich mir in das Auge gerieben haette, doch als ich in der Frueh in den Spiegel sah war das Auge ganz rot und ich konnte es kaum oeffnen. Ich hatte auch noch etwas Kopfschmerzen, obwohl ich am Abend davor kaum Wein getrunken hatte, ausser um auf den Camino anzustossen". Wie mich Nancy sah war sie ganz aufgeregt und sagte mir ich hätte eine Kinderkrankheit, sie kenne diese Krankheit von ihren Kindern. "its called pink eye". Ich sollte doch schnell in die Apotheke laufen und mir Augentropfen dagegen holen. Ich packte gleich meinen Rucksack und deponierte ihn in der Rezeption. In der Apotheke mußte ich zeigen was ich in meinem Spanischkurs gelernt hatte. Die Apothekerin stellte wahnsinnig viele Fragen um zu entscheiden ob ich zu einem Arzt gehen sollte oder nicht. Dann gab sie mir ein "Collirio" und erklärte mir wie es anzuwenden sei, wünschte mir buona suerte und ich ging erstmal Frühstückessen. In der Toilette versuchte ich das Mittel in mein Auge zu träufeln. Gar nicht so einfach. Kaum war ich mit der Pipette am Auge, schloss es sich reflexartig. Also mit einer Hand Auge aufhalten mit der anderen reinträufeln. Nicht ganz so einfach. Ich müßte wohl Nancy darum bitten es mir reinzuträufeln, sie hatte ja die Erfahrung mit ihren Kindern. Nancy ist über 65 und Großmutter. Ich dachte sie sei die Frau von Larry, einem Amerikaner, auch über 65, mit dem sie gemeinsam ging. Es regnete schon den ganzen Tag und der Weg war schlammig und schlüpfrig. Plötzlich ging es auch noch steil nach oben. Larry hatte Stöcke und schaffte die Steigung. Nancy rutsche immer wieder zurück. Sie war verzweifelt. In diesem Augenblick war ich gerade hinter ihr. Sie fragte ob ich anschieben könne. Ich hatte zwar auch keinen Halt doch versuchte es wenigstens indem ich an ihrem Rucksack schob. Da schrie sie, ich sollte doch nicht an ihrem Rucksack schieben, das nütze gar nichts, sondern an ihrem Hintern. Darauf sagte ich, daß ich doch nicht den Hintern fremder Frauen berühre. Darauf sie: "stell Dich nicht so an und schieb endlich am Hintern!!" Was blieb mir anderes übrig als kräftig anzuschieben. Und sie schaffte es! Ich hatte noch einige Mühe raufzukommen, doch irgendwie schaffte ich es. Im Alberge erzählte sie dann den Mitpilgern wie blöd ich mich wegen ihres Hintern angestellt hätte und die Geschichte machte die Runde. Ich habe mich entschieden den Zug von Sahagun nach Leon zu nehem, so konnte ich mich vom "pink eye" erholen. In dem Zustand zu gehen hätte mir keinen Spaß gemacht. Nancy wollte auch den Zug nach Leon nehmen. Wie sie das allein schaffen wollte war mir ein Rätsel. Also taten wir uns zusammen und waren von nun als "the lame and the blind", der Lame under Blinde bekannt. Wir nahmen uns ein und eine halbe Stunde um zum Bahnhof zu gehen. Unter normalen Umständen war es in 15 Minuten zu schaffen, doch mit Nancy dauerte es sicher eine Stunde. Zum Arzt wollte sie nicht, da er ihr wahrscheinlich Cortison und Bettruhe verschrieb und das wollte Nancy auf keinen Fall. Ihren Rucksack wollte sie auf jeden Fall selber tragen, obwohl es ein leichtes für mich gewesen wäre ihren mitzutragen. Noch dazu hatte sie eine Tasche von Lorenzo zu tragen, die er im letzten alberge vergessen hatte. Es waren nur Lebensmittel, vielleicht hat er sie auch absichtlich zurückgelassen, doch sie wollte die Tasche unbedingt mitnehmen. Allerding willigte sie ein, daß ich sie an ihrer Stelle tragen dürfte.Mit beiden Händen stützte sie sich am Stock und machte gerade mal einen Schritt vorwärts, dann wieder sich abstützen zum nächsten Schritt. Zum Glück ist Nancy unglaublich drahtig und zäh. Wir schafften den Weg in weniger als einer Stunde. Der Zug sollte vom ersten Bahnsteig abfahren, zumindest war es so angekündigt. Jedoch ganz kurz bevor der Zug einfuhr wurde der Bahnsteig geändert. Wir mußten also die Unterführung benutzen, also Stiegen hinunter Stiegen hinauf. Wie wird das Nancy wohl schaffen. Gestern ist sie noch auf allen Vieren die Treppe hinaufgekrabbelt, wie ein Baby. Doch mit ihrer Zähigkeit und ihrem Willen schaffte sie es. Der Zug war schon da wie wir uns bemühten die Treppe hoch zu kommen. Zur Sicherheit ging ich voran um die Türe offen zu halten, falls der Zug abfahren wollte. Sie schaffte es im letzten Augenblick, gab mir den Stock und ich zog sie an den Händen die Stufen hinauf. Dann schlossen sich die Türen. Den Camino vom Zug aus zu sehen war ganz und gar eine andere Perspektive. Wie langsam die Pilger nur vorankamen im Vergleich zu uns. Wir waren in 2 Stunden in Leon, wofür die meisten Pilger zwei Tage brauchten. Eine Spanierin mittleren Alters setzte sich ans Fenster uns gegenüber. Kurz vor dem Aussteigen kamen wir mit ihr ins Gespräch. Sie war aus Leon. Wir fragten sie ob sie wise, welche Pilgerherbergen es in Leon gäbe. Sie kannte sich bestens aus, beschrieb uns die Abergues und verriet uns ein Nonnenkloster die auch Pilger aufnehmen würden. Ob ich da wohl auch willkommen sei fragte ich mich. Angekommen in Leon namen wir uns ein Taxi zum Nonnenkloster, das zwar nicht allzu weit entfernt war, sicher in einer halben Stunde zu schaffen, allerdings unter normalen Umständen. Das Kloster war in der Altstadt wo nur Taxis zugang hatten. Der Weg ar mit etwa einen halben Meter hohen runden Pfosten mit etwa 30 cm Durchmesser abgesperrt, die sich Mittels Fernsteuerung in den Boden versenken ließen. Nur daß die Fernsteuerung unseres Taxifahrers nicht funktionierte. Er mußte in der Zentrale anrufen, und irgendwann senkten sich dann die Pfosten. Das Nonnenkloster war nur um die Ecke, doch wenn wir uns schon ein Taxi leisteten, dann wollten wir auch bis vor die Haustüre gebracht werden. Das Nonnenkloster hatte nur Zweibettzimmer. Wir hatten ja schon die Erfahrung gemacht uns das Zimmer zu teilen, so nahmen wir das Zweibettzimmer dankend an. Es war luxuriös, sehr, sehr ruhig und hatte eine Badewanne und eine Toilette im Zimmer. Die Betten waren hintereinander mit einer Seite an der Wand. Ich legte mich aus Bett und ließ mich von Nancy verarzten. Wie bei meine Mutter, so kam es mir vor. Ich fühlte mich richtig geschützt durch sie. Und sie hatte ja die Erfahrung von "pink eyes" mit ihren Kindern. Am Abend ging ich mit Nancy noch zur Plaza Major, die nicht sehr weit entfernt war. Dort gab es ein Türkisches Restaurant. Es gab türkische Pizza und Falaffel. Ich gönnte mir beides. Die Falaffel waren ausgezeichnet und die türkische Pizza war besser als manche italienische. Jedenfalls waren reichlich Zutaten drauf die hervorragend schmeckten. Die Nacht war unglaublich ruhig, wir versuchten einander so wenig wie möglich zu stören und hatten beide eine sehr erholsame Nacht. Die Einstellungen waren beendet und die Fotos gemacht. Es hat etwas länger gedauert als geplant, da der Chefarzt nich gleich bei der Hand war, mir wurde kurz die Maske mal abgenommen, damit ich nicht an Beklemmungen leiden würde, so der Assistent. Jetzt hatte ich gerade mal noch ein paar Stunden um mich auszuruhen bis die Strahlenbehandlung dran war. Gestern hatte ich noch einen ganz lieben Kommentar von Daniel bekommen. Er erinnerte mich an unsere Zeit in Tokyo. Was war naheliegender als während der Strahlenbehandlung an einen Tag in Tokyo zu denken? Es war ein Samstag, Lisa war schon auf dem Rückflug und ich war wieder allein. Am Freitag erzählte sie mir von ihrem Ausflug nach Kamakura, die alte Kaiserstadt am Meer. Erstaunlich wie sich Lisa allein in Tokyo zurechtfand. Ich hatte da so meine Schwierigkeiten mit der Orientierung. Sie fand den Weg ins Hotel sofort und mußte ihr nur folgen. Damit ich mich bei meinen ersten Arbeittag nicht verlaufen würde ging sie am Abend zuvor mit mir den Weg vom Hotel zur Arbeit, es waren etwa 20 Minuten zu laufen, doch verirren konnte man sich leicht. Lisa liebte die Sauberkeit in Tokyo. Am meisten beeindruckte sie die Zuvorkommenheit der Japaner und wollte mir gleich beweisen wie zuvorkommend sich die Autofahrer in Tokyo benehmen. Wir gingen eine vielbefahrene Straße im Zentrum entlang. Sie sagte, sie wäre imstande den ganzen Verkehr aufzuhalten indem sie nur einenen Fuß um 90 Grad drehen würde und Richtung Fahrbahn einen Schritt machte. Das wollte ich allerdings sehen und staunte nicht wenig. Lisa drehte sich Richtung Fahrbahn, die Autofahrer bremsten, jetzt mußten wir wohl die Fahrbahn überqueren, denn einen Scherz konnten wir uns nicht erlauben. Wir konnten, so wie im alten Testament wo Moses das Meer mit seinem Stock geteilt hat, die Straße überqueren und bedankten uns mit Handzeichen. Ach, ich schweife vom Thema ab. So viele Erinnerungen haben sich an Tokyo geknüpft. Also Lisa erzälte mir von ihrem Tagesausflug nach Kamakura. Es sei überhaupt kein Problem dort hin zu kommen,beschrieb mir den Weg zum Bahnhof in Tokyo, sagte mir welchen Zug ich nehmen sollte und wo ich aussteigen sollte. Dann erzählte sie mir von den Tempeln in der Nähe von Kita Kamakura und von einem Wanderweg, der von Kita Kamakura über einem Berg nach der Stadt führt. Der Wanderweg sei nur teilweise in Römischer Schrift gekennzeichnet. Lisa fand jedoch heraus, was "The Great Buddha" auf Japanisch heist und merkte sich das Schriftzeichen. Sie zeichnete mir das Schriftzeichen auf so daß ich es mir merken konnte. Der Große Buddha sei schon in der Stadt, dort gäbe es dann auch einen Bahnhof von dem die Züge zurück nach Tokyo fuhren. Ich würde entlang des Weges an vielen Tempeln entlang kommen und an eine Stelle wo sich ganz viele Katzen mit extrem kurzen Schwäntzen aufhielten. Ich sollte doch meinen Arbeitskollegen aus Kamakura fragen ob man dort den Katzten die Schwäntze abschnitt. Ich habe die Katzen dann auch wirklich gesehen. Sie wurden gerade gefüttert und waren sehr wohlgenärt, und wurden mit Liebe behandelt. Der Arbeitskollege erklärte mir, daß es nur eine bestimmte Rasse von Katzen sei, die mit Stummelschwänzen geboren würden. Ich schweife schon wieder vom Thema ab, das kann ja noch lange dauern bis ich zu einem Ende komme. Einfach weiterscrollen, den schräg gestellten Text überfliegen, dann kommt man zum Ende. Also, ganz so einfach war es für mich nicht. Erst verirrte ich mich etwas auf dem Weg zum Bahnhof, dann am Bahnhof selber, bis ich endlich den richtigen Zug fand. Aussteigen war kein Problem, die Station wurde auf Englisch angesagt.Erst schaute ich mir, wie von Lisa empfohlen die Tempel links der Bahn an, dann überquerte ich den Bahnübergang um auf die rechte Seite zu gelangen. Nach vier oder fünf weiteren Tempelbesuchen finde ich den Wanderweg nach Kamakura. Erst geht es noch an ein paar Tempeln mitten im Wald vorbei, dann geht der Weg steil nach oben. Die Wurzeln der Bäume entlang des Weges bilden ein dichtes Geflecht. Die ganze Zeit laufe ich über Wurzel und wieder Wurzeln. Ich komme an den Ort mit den Katzen von dem Lisa mir erzählt hat. Ein Mann mit zwei Plastiktaschen füttert sie und achtet darauf, daß jede Katze ihren Anteil bekommt. Die Schwänze der Katzen sind wirklich extrem kurz. Jetzt geht der Weg den Bergrücken entlang.Die Stadt ist in der Ferne zu sehen und am Horizont glaube ich das Meeer zu erkennen. Die Wegbeschilderung wird spärlicher. Es gibt sie nur noch auf Japanisch. Ich erkenne das Zeichen für den großen Buddha das mir Lisa gezeigt hatte und folge ihm bis der Weg hinunter in die Stadt führt. Es ist mittlerweile schon später Nachmittag. Noch ein paar Tempelanlagen, dann tauchen die ersten Häuser auf. Auf einem Haus steht ein Namensschild, der gleiche name wie die meines Japanischen Kollegens aus Kamakura. Solte das ein Zufall sein? Ich wage jedoch nicht zu klingeln und gehe weiter bis ich zum großen Buddha komme. Enorm beeindruckend diese Statue. Sie ist aus Bronze, ziemlich verwittert da sie jetzt im Freien steht und um die 13 Meter hoch. Im 15 Jahrhundert wurde der Tempel in dem sie früher stand von einer Tzinamiwelle weggefegt.Seither steht die Statue im Freien. Ich ging noch Richtung Meer und fuhr mit einer art Straßenbahn ins Zentrum, wo der JR Bahnhof ist. Wie ich ein Ticket lösen wollte, sprach mich eine Frau an, fragte wohin ich fahren wolle, ich sagte Tokyo, daraufhin gab sie mir ein Ticket und sagte, daß ich damit bis Tokyo fahren könne. Sie brauche das Ticket nicht mehr. Ich wollte es ihr bezahlen, doch sie nahm kein Geld an. Ich bedankte mich recht freundlich und sie wünschte mir eine gute Reise. Der Zug fuhr allerdings erst in zwei Stunden ab, zumindest der direkte Zug nach Tokyo. Es blieb noch Zeit führ ein Abendessen. In der Nähe des Bahnhofs fand ich ein indisches Restaurant. Das wollte ich ausprobieren. Das Essen war köstlich. Die Rückfahrt war reibungslos. Ich fand sofort die U-Bahn zu meinem Hotel. Ein wirklich langer und intensiver Tag neigte sich dem Ende. Danke Daniel, daß Du diese Erinnerung durch Deinen Kommentar, in mir wachgerufen hast. Ich war wieder mal froh die Strahlenbehandlung hinter mir zu haben und ging gleich in den Park. Allerdings war ich noch immer an der Infusion angehängt und so war es schwierig mit dem Gestell durch den Park zu gehen. Das geklappere des Gestells mit den kleinen Rädern geht einfach auf die Nerven, und so ging ich gleich wieder zurück um mich ins Bett zu legen. Später, als die Infusion durchgelaufen war und Lisa zu besuch kam machten wir noch einen ausgedehnten Spaziergang.